Motto

Wer wagt es, sich den donnernden Zügen entgegen zu stellen?
Die kleinen Blümchen zwischen den Eisenbahnschwellen.
Erich Kästner

Mittwoch, 30. November 2011

Mehr Bewegung im Rheintal

Niedrige Schutzwand gegen Lärm
30.11.2011 - BINGEN

Von Björn Gutheil
zum Original hier:

BINGEN
Bahn erprobt innovative Bautechnik / Hohe Belastung durch Güterverkehr 


Die Lärmbelastung im Mittelrheintal hat einen Pegel erreicht, der vielen Menschen zu schaffen macht. Insbesondere der Schienengüterverkehr in der Nacht lässt viele Anwohner nicht mehr ruhig  schlafen.

Bingen Hauptbahnhof  / Foto: Wikipedia
Die Deutsche Bahn hat in dieser Woche in Bingen, Oberwesel und Osterspai an vier Streckenabschnitten auf einer Länge von insgesamt 1,3 Kilometern mit den Vorarbeiten zur Errichtung  spezieller niedriger Schallschutzwände begonnen. Laut Presseinformation der Bahn ermöglicht die innovative Bautechnik der niedrigen Schallschutzwände näher an die Gleise heranzurücken. „Durch die verringerte Distanz zwischen der Lärmquelle und den entlang der Gleise eingebauten Wänden wird die Ausbreitung der Lärmemission entsprechend reduziert“, teilt die Bahn mit. In Bingen wird eine Z-förmige Betonwand errichtet, während in Oberwesel Stahlkassetten mit Rammpfahlgründung und in Osterspai Stahlkassetten mit klassischem Einzelfundament verarbeitet werden.

55 Zentimeter hohe Betonelemente

Wie ein Sprecher der Bahn mitteilt, sind die Betonelemente, die in Bingen errichtet werden, drei Meter lang und nur 55 Zentimeter hoch. In dem Betonblock, der neben der Gleise aufgestellt wird, befindet sich eine Stahlkassette mit Absorptionsmaterial, welches den Lärm absorbieren soll. In Bingen und Oberwesel sollen die Baumaßnahmen bis Weihnachten abgeschlossen sein, in Osterspai im Frühjahr 2012. Die Bahn untersucht die Wirkung dieser neuen Bauweisen hinsichtlich ihrer Lärmminderung. Die Ergebnisse sollen bis Mitte 2012 vorliegen. Wie die Bahn mitteilt, werden die Maßnahmen mit rund 1,5 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm zwei der Bundesregierung finanziert.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Verringerung des Schienenverkehrslärms ist die für Dezember nächsten Jahres geplante Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems. Nach Bahninformationen sieht dieses höhere Entgelte für Züge ohne Flüsterbremsen und einen Bonus für Güterwagen vor, die auf Lärm mindernde Technologien umgerüstet wurden.

Freitag, 11. November 2011

Seelsorgerische Unruhe im lauten Rheintal

Bericht aus der


Synode des Dekanates St. Goarshausen fordert weniger Bahnlärm im Rheintal


Miehlen - Die Synode des evangelischen Dekanats St. Goarshausen hat die Landeskirche aufgefordert, sich für die Reduzierung des Bahnlärms am Mittelrhein einzusetzen.

Loreleystadt St. Goarshausen / Foto: Felix Koenig (Wikipedia)

In ihrer Herbsttagung in Miehlen verabschiedeten die Synodalen aus den Verbandsgemeinden Loreley, Nastätten und Teilen Braubachs einen Antrag, der die Kirchenleitung auffordert, gegenüber den zuständigen politischen Gremien die Anliegen der „Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn e.V.“ zu unterstützen.

Matthias Metzmacher, Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung der evangelischen Kirche Rhein-Lahn, der den Antrag eingebracht hatte, stellte den Synodalen die Forderungen der Bürgerinitiative vor, die unter anderem die Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems sowie den Einsatz moderner, lärmarmer beziehungsweise die Umrüstung alter Züge fordert.

Mittwoch, 9. November 2011

Klage, Blockade und Demo gegen Bahnlärm


Bürgerinitiative erhöht die Schlagzahl
Von Uwe Hofmann
[Coswig.] "Eigentlich hat sich nichts geändert", zieht Horst Heiden ein deprimierendes Fazit. Seit er und Christian Günthel Anfang April zu Coswigs Oberbürgermeister Frank Neupold (parteilos) marschiert sind, um sich über den Lärm durchrauschender Güterzüge zu beschweren, ist es an der Berliner Strecke tatsächlich nicht leiser geworden. "Dabei war es mein Ziel, bis Ende des Jahres etwas zu erreichen", sagt Heiden, der am Coswiger Anne-Frank-Weg ein Grundstück in unmittelbarer Nähe zur Eisenbahn besitzt. Dennoch wird die inzwischen von Heiden und Günthel ins Leben gerufene Bürgerinitiative Bahnemission im Elbtal (BI) am Sonntag bei einer Protestveranstaltung in der Börse Coswig eine durchaus beachtliche Bilanz aufstellen können.

Zwei Demonstrationen haben die BI-Mitglieder - zumeist Betroffene aus Weinböhla und Coswig - auf die Beine gestellt, bei denen insgesamt mehr als 2000 Menschen kamen. Auch der Schulterschluss mit der Politik gelang, zumindest teilweise. So ist Coswigs Oberbürgermeister inzwischen einer der rührigsten Akteure im Kampf gegen den Bahnlärm. Hinter den Kulissen hat vor allem der gerade wiedergewählte CDU-Kreisvorsitzende Geert Mackenroth dafür gesorgt, dass das Landesamt für Umwelt objektive Lärmmessungen unternehmen wolle, wie der BI-Vorsitzende Heiden sagt. Die kosten immerhin 15 000 Euro - eine Summe, die für den losen Zusammenschluss Betroffener kaum zu stemmen ist. "Allerdings will die Bahn diese Messung nicht zulassen, weil die sanierte Berliner Bahn keine Neubaustrecke ist", sagt Heiden. Immer wieder bremsen juristische Feinheiten die BI aus.

Davon kann auch das Fachkrankenhaus ein Liedchen singen. Das hat wegen des Bahnlärms geklagt und wartet seit Wochen auf einen Richterspruch vom Bundesverwaltungsgericht. Wird in Leipzig im Sinne der Coswiger entschieden, bekommt das Fachkrankenhaus Schallschutzwände. Das brächte nur einem kleinen Gebiet Erleichterung. Das Urteil wird dennoch von der halben Stadt mit Spannung erwartet, weil es zumindest in diesem Abschnitt als mustergültig eingeschätzt wird.

Deshalb wartet auch Ute Reichelt, Vorstand der Wohnungsgenossenschaft WGC, auf den Entscheid. "Wenn wir ihn haben, werden wir uns wieder mit der Bürgerinitiative zusammensetzen", sagt sie. Denn nach anfänglichen Irritationen arbeitet die WGC mit der BI zusammen - auch das ist ein Erfolg. Der Genossenschaft gehören die Neubaublöcke im Wohngebiet Dresdner Straße, die unmittelbar am Bahndamm stehen. Nachdem die BI gehörigen Druck auf die WGC gemacht hatte, indem sie Genossenschaftler zur Mietminderung aufgefordert und dafür eigens ein Beispielschreiben mit der Adresse der WGC im Briefkopf zur Verfügung gestellt hatte, hat man sich nun zusammengerauft. "Mietminderung bringen ja auch nichts, weil sie an der Sache, dem Bahnlärm, nichts ändern", sagt Reichelt. Entsprechend habe man alle Genossenschaftler zum Einlenken bewegen können, auch mit Verweis auf die ohnehin schon günstigen Mieten, wie Reichelt sagt.

Langsam müht sich die BI so vorwärts. Jetzt will sie die Schlagzahl erhöhen, um schneller ans Ziel zu gelangen. So geht Horst Heiden als einer der ersten den Weg vor das Gericht, klagt wegen Verletzung seiner Grundrechte und Minderung seines Grundstückswerts. Der Stadtkasse werde er künftig nur die Hälfte seiner Grundsteuer zahlen, schließlich sei sein Grundstück nichts mehr wert, sagt er. Ebenso denkt er an radikalere Aktionen, etwa die nächtliche Besetzung der Trasse. Die Bundespolitik muss in Bewegung kommen und das geht ohne bundesweite Schlagzeilen nicht, so das Kalkül. Allerdings sollen die auch anders entstehen. Den Winter über will sich die BI mit weiteren im Bundesgebiet zusammenschließen und eine große Protestaktion vor dem Berliner Reichstag im Juni organisieren.

13. November, 15 Uhr: Protestveranstaltung gegen Bahnlärm im Elbtal in der Börse Coswig, Hauptstraße 29

Ruhe bewahren trotz Bahnlärms

180 Züge rauschen an Horst Heidens Fenster vorbei. Jeden Tag. Einige von ihnen mit einer solchen Lautstärke, dass er tagsüber Gespräche oder Telefonate unterbrechen muss, nachts aus dem Schlaf hochschreckt. Kein Wunder, dass es dem Coswiger nicht schnell genug gehen kann, dass er seine Ruhe wiederbekommt. Die schlechte Nachricht für ihn ist: Das wird in den nächsten Monaten nicht passieren. Andere Bürgerinitiativen kämpfen schon jahrelang, wissen Landräte und Landespolitiker in ihren Reihen und beißen sich dennoch die Zähne an der Bahn aus. Der ist nur beizukommen, wenn man sich auf Bundesebene bewegt. Insofern ist die Marschrichtung Bundestag genau die richtige. Doch auch dort mahlen die Mühlen langsam. Das lässt sich auch nicht mit spektakulären Aktionen beschleunigen. Die können im schlechtesten Fall noch dafür sorgen, dass die BI ihren mühsam erarbeiteten Status als ernstzunehmender Gesprächspartner verliert. Es heißt also Ruhe bewahren und mit kühlem Kopf weiterarbeiten.

u.hofmann@dnn.de



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